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Singend Grenzen überwinden
Arbeit mir Laienensembles liegt Volker Schrewe am Herzen

Von Christine Longère

Mit seinem jubelnden, von feuriger Begeisterung getragenen „Halleluja“ markiert Georg Friedrich Händels „Messias“ einen Höhepunkt in der Geschichte des Oratoriums. Der Wunsch, an einer Aufführung dieses grandiosen Werkes als Solist mitzuwirken, war ein Beweggrund für Volker Schrewe, sich zum Sänger ausbilden zu lassen. Dank seiner außergewöhnlichen stimmlichen und darstellerischen Ausdruckskraft wurde der in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem neu entstandenen Kulturzentrum auf dem Klosterhof Marienmünster heimische Bariton zum gern gesehenen Gast in Kirchen sowie auf Konzert- und Theaterbühnen im In- und Ausland.

Es blieb nicht beim „Messias“. Volker Schrewe sang nahezu alle großen Oratorienpartien, dazu zahllose Bach-Kantaten. Als Liedsänger, oft mit Michael Seewann am Klavier, widmet er sich neben Liedern von Richard Strauss, Modest Mussorgsky, Robert Schumann, Franz Schubert und den Balladen von Karl Loewe auch der zeitgenössischen Musik, wie mehrere Uraufführungen von Walter Steffens und Max Beckschäfer belegen.

Schon als Kind entdeckte Schrewe die Freude am Singen. Zurückblickend auf seine Schulzeit sagt er: „Die Musik stand über allem.“ Als Mitglied der Knabenkantorei des Evangelisch Stiftischen Gymnasiums seiner Geburtsstadt Gütersloh waren für ihn drei Proben in der Woche und Unterricht in Stimmbildung selbstverständlich. Den Grundstein für die Profikarriere legte zunächst ein Schulmusikstudium mit den Hauptfächern Gesang und Chorleitung, dann ein Gesangsstudium an der Musikhochschule Detmold. Der Künstlerischen Reifeprüfung folgten private Gesangsstudien bei Prof. William Workman in Hamburg und Meisterkurse u.a. bei Theo Adam.

Seinem kraftvollen Bariton attestiert die Kritik plastische und klare Artikulation sowie die besondere Fähigkeit, Geschichten zu erzählen, sie vor dem inneren Auge der Zuhörer entstehen zu lassen, sein Publikum zu berühren und anzurühren. Doch nicht nur durch seine Vielseitigkeit als Sänger machte sich Schrewe einen Namen, sondern auch durch seine Leistungen als Chorleiter und Motor verschiedener kultureller Projekte.

Als Dirigent und Stimmbildner arbeitete Schrewe zehn Jahre lang mit dem Männergesangverein Rheda zusammen, außerdem mit dem Bachchor Halle, dem Knaben-, Jugend- und Kinderchor St. Pankratius Gütersloh. Seit 1999 leitet er den MGV Concordia Bellersen, seit 2000 zudem den unter dem Patronat der fürstlichen Familie stehenden Philmarmonischen Chor Lippe, der an das Wirken des zeitweilig von Johannes Brahms geleiteten fürstlichen Hofchors anknüpft. Bei der Zusammenstellung der Programme für diesen Chor ist Schrewe der regionale Bezug ebenso wichtig wie die Suche nach Entdeckungen. Als Fundgrube erwies sich das fürstlich-lippische Archiv.

Vom Rang des Detmolder Fürstenhofs als Pflegestätte der musikalischen Kunst zeugt auch das 1825 erbaute Hoftheater, an dem Albert Lortzing 1826-1833 wirkte. Zum 200. Geburtstag Lortzings gründete Schrewe 2002 zusammen mit ehemaligen Kommilitonen den professionellen Projektchor „Neue Detmolder Liedertafel“. Die 16 freiberuflich arbeitenden Sänger, die sich zu diesem Chor zusammenschlossen, fühlen sich verbunden durch die gemeinsame Zielrichtung und die gemeinsamen Wurzeln. Ihre außerordentlichen stimmlichen Fähigkeiten beweisen die bei der Musikproduktion Dabringhaus und Grimm aufgenommenen CDs mit Chorwerken von Albert Lortzing und Robert Schumann. Geplant ist eine weitere CD mit Werken von Felix Mendelssohn-Bartholdy.

Offenheit für Neues und die Freude daran, ausgefahrene Gleise zu verlassen, trieben Schrewe schon als Student in die Ferne und führten ihn mit dem Fahrrad in den Semesterferien nach Norwegen, Dänemark, Frankreich, Italien. Aus den bei diesen Touren gewonnenen Eindrücken erwuchs der Wunsch, mit Musik Brücken zu bauen über die Grenzen von Nationen hinweg. Hervorragende Gelegenheit dazu bietet das vom Philharmonischen Chor Lippe veranstaltete Internationale Chorfestival, an dem bereits Chöre aus Italien, Israel, Kroatien, Lettland, Litauen, Polen, Russland, Südafrika teilnahmen.

Zu den Höhepunkten bei diesen Treffen zählte die Aufführung des Verdi-Requiems in der Lipperlandhalle mit dem Akademischen Chor der Universität Szczecin (Stettin) im Oktober 2004. Die gemeinsame Uraufführung der „Anrufung“ von Walter Steffens innerhalb des Festkonzertes zum 60. Jahrestag des Kriegsendes bei den Corveyer Musikwochen im Jahr 2005 verstärkte die bei der Begegnung in Detmold geknüpften Kontakte, aus denen sich Einladungen zu Gegenbesuchen ergaben. Mit dem Philharmonischen Chor reiste Schrewe 2006 zu einem Internationalen Chorfestival nach Szeczezin. Im selben Jahr nahm er erstmals als Dirigent an der deutsch-polnischen Chorakademie „in terra pax“ auf der Halbinsel Wollin teil.

 „Ich möchte die Vielfalt nicht missen“, beteuert Schrewe. Mit seinen breit gefächerten Aktivitäten überwindet er kulturelle Trennlinien, auch die zwischen „E“- und „U“-Musik. Nach seiner Erfahrung sind die Konzerte, die einem besonders am Herzen liegen, nicht unbedingt auch die, mit denen man das meiste Geld verdient. Vorbehalte gegenüber der leichten Muse – etwa einem Evergreen wie dem vom „kleinen grünen Kaktus“ – hat er nicht. Das Repertoire des erfolgreichen Vokalquartetts „Drops“, dem Schrewe angehört, reicht von alten Schlagern und Barbershop-Songs bis zu Renaissance-Madrigalen.

Als Ensemblemitglied des Theaters „fortepiano“ wirkt Schrewe an musikalisch-literarischen Programmen mit. Neuestes Projekt ist die Kriminaloper „Der Winkelhannes“, ein Werk des ebenfalls auf dem Gelände der Abtei Marienmünster lebenden Komponisten Walter Steffens. Das Stück für zwei Gesangsstimmen und Klezmerbesetzung transponiert die realen Hintergründe der Droste-Novelle „Die Judenbuche“ in einen szenischen Bilderbogen und bringt das Schicksal jenes aus Bellersen stammenden und dort auch begrabenen „Algierer Sklaven“ auf die Bühne, von dem die Dichterin bei ihren Verwandtenbesuchen im Kreis Höxter hörte.

Seine Erfahrungen als Sänger und Chorleiter gibt Schrewe als Lehrbeauftragter für den Studiengang „Vokalpädagogik“ an der Hochschule für Musik in Osnabrück weiter. Die dort angestrebte praxisnahe Orientierung am späteren Berufsfeld im Bereich der vokalen Laienmusik liegt ihm sehr am Herzen. Er möchte Bewusstsein dafür wecken, dass die breite Arbeit der Laienensembles der „kulturelle Humus“ sind, aus dem Höchstleistungen erwachsen. Ihre Bedeutung insbesondere für Kinder könne gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, weil sie ihnen Gelegenheit zu der Erfahrung bietet, wie man sich durch intensives Üben auf den nächsten Auftritt vorbereitet und dadurch dem großen Ziel in kleinen Schritten näher kommt, statt davon zu träumen, zum „Superstar“ gekürt und über Nacht berühmt zu werden. Durch seinen Einsatz auch jungen Menschen eine Motivation zur sinnvollen, nachhaltigen Freizeitgestaltung sowie zur Stärkung ihres Selbstwertgefühls zu geben, ist ein Anliegen Schrewes.

„Die kulturelle Vielfalt unseres Landes lebt von der Mitwirkung vieler Bürgerinnen und Bürger, die sich freiwillig und unentgeltlich engagieren“, weiß auch Bundespräsident Horst Köhler. Deshalb lud er mehrere hundert Bürger ein, die sich ehrenamtlich für die Förderung von Kunst und Kultur engagieren. Unter den Gästen beim Sommerfest im Park von Schloss Bellevue, das in diesem Jahr im Zeichen des Ehrenamts auf dem Gebiet von Kunst und Kultur stand, war auch Volker Schrewe aus Marienmünster. „Ihr ehrenamtliches Engagement macht unser Land reich“, zollte ihnen der Bundespräsident Anerkennung. Dieses Engagement führe Kinder heran an die Welt der Kultur, halte das Interesse wach und lege das Fundament für kulturelle Spitzenleistungen.
 


Stern der Woche für Volker Schrewe

Chorleiter betreibt Völkerverständigung mit Musik.


Marienmünster (lon). Der Philharmonische Chor Lippe zeigt durch seine Internationalen Chorfestivals wirkungsvoller als alle Sonntagsreden, wie man Barrieren zwischen Völkern abbaut. Gemeinsam singend Grenzen zu überwinden, ist das Anliegen des in Gütersloh geborenen und in Marienmünster lebenden Sängers Volker Schrewe, der den Lipper Chor seit sechs Jahren leitet.
Der beim Festival in Detmold 2004 geknüpfte Kontakt zum Akademischen Chor der Technischen Universität Szczecin (Stettin) wurde gefestigt, als die polnischen Gäste im vorigen Jahr zusammen mit dem Lipper Chor am Festkonzert zum 60. Jahrestag des Kriegsendes bei den Corveyer Musikwochen mitwirkten.
Die gemeinsame Uraufführung von Walter Steffens Werk "Anrufung" wurde zum Ausdruck gelebten Friedens. "Mit einer Stimme" ist das Motto des Festivals im kommenden Juni, zu dem Schrewe mit "seinem" Chor nach Szczecin eingeladen wurde. Ein zweiter ehrenvoller Ruf aus Polen erreichte Schrewe kürzlich.
Erstmals wird er Dirigent der deutsch-polnischen Chor-Akademie "in terra pax" sein. Für diese Krönung des musikalischen Brückenschlags zwischen Deutschland und Polen verleihen wir Volker Schrewe den "Stern der Woche".
Eine Initiative der Neuen Westfälischen (NW), der Lippischen Landes-Zeitung (LZ) und des Haller Kreisblatts (HK).




Deutschland, Land der Ideen
Kriminaloper von Walter Steffens: "Der Winkelhannes"

Themen der Zeit / Kultur
13. Februar 2006, Westfalen-Blatt